Wochenthema ~ Ankündigungstext vom Gastschreiber Wolfgang Wache

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Wochenthema 43 KW 18

Es ist nun für den Wochenthemaankündigungstext zu spät. Die Woche hat bereits begonnen.
Wo liegt da das Problem. So manches im Leben fand mit Zeitverzögerung statt, trotzdem war es gut so. Bereits bei der Geburt war ich nicht termingemäß. Manchmal handelt es sich nur um wenige Minuten. Nur fünf Minuten zu spät, der Zug war weg. Ärgerlich, Zug verpasst. Als am nächsten Tag über den tragischen Auffahrunfall meines von mir verpassten Personenzuges in der Presse berichtet wurde, wurde aus meiner Verärgerung plötzlich ein freudiges Ereignis.
Manche Verlangsamung wird aber auch durch Aufschieben verursacht. Das mache ich morgen. Morgen räume ich auf. Morgen mache ich den Keller sauber. Ich nehme mir vor, die Buchhaltung wöchentlich zu machen. Stattdessen sortiere ich zum Beispiel Zahnstocher nach Länge. Lauter Ersatztätigkeiten, die ich nie gemacht hätte, stünden sie „offiziell“ auf meiner To-do-Liste, die mir aber das Gefühl geben, ja doch „etwas Sinnvolles“ getan zu haben. Die Buchhaltung kann ich dann ja nächstes Wochenende machen, aber dann ganz bestimmt. Aufschieber haben immer Gründe, warum nicht. Sie sind talentierte Ausredenerfinder, Selbstbetrüger und nie schuld. „Einem chronischen Aufschieber zu sagen: ‚Tu’s einfach!‘, ist so, wie einem Depressiven zu sagen, er solle doch einfach mal fröhlich sein“, sagt Joe Ferrari, Psychologe an der DePaul University in Chicago. Nun habe ich irgendwo gelesen, dass man mit der Methode „Karotte vor der Nase, statt Peitsche am Hintern“ etwas gegen das Aufschieben durch Lustlosigkeit unternehmen kann. Wenn man einen Hang zu technischen Spielereien hat, so versüße man sich die Buchhaltungsarbeit, indem man sie mit der neuesten Software erledige.
Es gibt aber auch die genialen Aufschieber, die im letzten Moment ja dann doch noch alles schaffen. Diese Vorsichherschieber sind umgeben von bewundernden Legenden. „Diese Kriegsberichte von der Front intellektueller Arbeit, dass man nach drei durchgearbeiteten Nächten schweißüberströmt das Manuskript in den Briefkasten geschmissen hat, hören die Studierenden ja auch heute noch von Hochschullehrern“, sagt Hans-Werner Rückert.
Aufschiebern, sind aber laut Forschungsergebnissen, auch sehr positive Aspekte zuzuschreiben. Gerade wenn etwas Unerwartetes auftaucht, wechseln sie die Gangart und kümmern sich um die neuen Aufgaben, die ihnen dringender erscheinen. Aktives, eine Aufgabe nach hinten verschieben, könnte sogar von Vorteil, wenn nicht gar notwendig sein, wenn jemand in einer nicht vorausplanbaren, sich schnell verändernden Umgebung arbeitet. Hier könnten aktive Verschieber sogar effizienter als andere arbeiten, weil sie nicht stur ihren vorher festgelegten Plan weiterverfolgen, sondern spontan auf unerwartete Ereignisse reagieren können.
Ich wollte noch beschreiben, wie es ist, die wöchentliche Buchhaltung (der letzten Wochen) erledigt zu haben. Bin aber durch das Schreiben des Wocheankündigungstextes noch nicht dazu gekommen. Die Buchhaltung wird noch gemacht. Morgen! Versprochen!

Wolfgang Wache

Morgen! Versprochen!

Wochenthema 43 KW 18
vom 22. bis 28. Oktober 2018

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